Schauspielerin Dascha Trautwein vom Nationaltheater Mannheim erhält heute Abend den Arnold-Petersen-Preis 2009. Es gibt sie ja, die Menschen mit dem inneren Leuchten. Dascha Trautwein, Mitglied des Mannheimer Schauspiel-Ensembles, gehört zu ihnen. Vielleicht hat sie die Jury des Petersen-Preises gerade auch dadurch überzeugt, und vielleicht hat dieses Leuchten auch der von ihr verkörperten Figur der Schillerschen „Jungfrau von Orléans“ den besonderen Ton gegeben. Neben einer begabten Schauspielerin lässt sich in der 1978 Geborenen auch mühelos eine sympathische junge Frau mit der richtigen Mischung aus gesundem Selbstvertrauen, kreativer Vielfalt und beruflicher wie privater Neugier entdecken. Dass sie auch trefflich kämpfen kann, hat sie bisher nicht nur mit Schillers Johanna, sondern auch in Dietmar Daths „Waffenwetter“, dem Uraufführungsprojekt „4×4″, „Ehemänner“, dem Erfolgsstück „August: Osage County“ und Jan Neumanns „Königs Moment“ bewiesen, wo sie auch mit Textmassen, Entwicklungsstücken oder auch mal widrigen Produktionsbedingungen glänzend zurecht kam. Wie alle begabten Schauspieler sieht sie den Umgang mit Textmengen gelassen: „Der Text ist nur das Oberkleid, dass man sich zum Schluss überstreift, wenn man die Figur gefunden hat“, bekennt sie ganz in russischer Stanislawski-Tradition. All das rechtfertigt die Entscheidung des Gremiums, ihr heute im Schauspielhaus den Arnold-Petersen-Preis 2009 zu verleihen. Kreative Vielfalt Der Weg zur Bühne zeichnete sich bei der 1978 im kasachischen Uralsk („am Fluss, an der kleinen Biegung zum kaspischen Meer, also quasi in der Steppe“) geborenen Wolga-Deutschen schon mit 13 ab. Vom malenden Vater wurde sie an die bildende Kunst herangeführt, doch bald entschied sie sich für deren darstellende Schwester: „Beim Malen war ich zu sehr für mich, ich brauchte die Bühne und das Publikum, das war schnell klar“, sagt sie über ihre frühen Schauspielaktivitäten, die sie, gerade auf dem Sprung in das Erwachsenen-Ensemble, wegen der Übersiedlung der Familie nach Bonn unterbrechen musste. Ohne Deutschkenntnisse, doch getrieben zum Spiel mit Sprache und Körper, setzte sie gleich auf dem deutschen Internat die Bühnenarbeit fort, und schloss („Das war völlig klar“) nach Theaterkursen in Düsseldorf eine Schauspielausbildung an der Folkwang-Schule in Essen an. Danach brachte sie das erste Engagement an Deutschlands kleinstes Stadttheater nach Aalen. Dennoch keine schlechte Entscheidung, denn hier erwarb sie nicht nur drei Jahre Spielpraxis, sondern verknüpfte ihre Vita unbewusst mit Mannheimer Theatergeschichte. Sie arbeitete mit dem legendären ehemaligen Nationaltheater-Schauspieldirektor Jürgen Bosse, Schauspieler Berthold Toetzke und dem späteren NT-Hausautor Jan Neumann zusammen. Auch den Namensgeber der ihr jetzt zuerkannten Ehrung, den ehemaligen Generalintendanten Arnold Petersen, lernte sie bei einem seiner Premieren-Besuche in Aalen kennen, freilich, wie sie charmant lächelnd bekennt, „ohne jede Ahnung, dass ich einmal da landen sollte.“ Mit Bosse probte sie Kleists “ Der zerbrochne Krug“ und Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“, mit Autor Jan Neumann lernte sie bei den Produktionen „Die Nacht dazwischen“ und „Vom Ende der Glut“ dessen Stückentwicklungsverfahren kennen, das sie später mit ihm und dem Mannheimer Ensemble mit „Königs Moment“ fortsetzen sollte. Voll des Lobes ist sie über den hiesigen Ensemblegeist, der dazu führe, dass „man sich als junge Schauspielerin schnell gut aufgehoben“ fühle. Vielleicht einer der Gründe, warum sie ihren Vertrag bereits für das dritte Jahr verlängert hat. „Ich bin kein großer Planer, eher spontan“, sagt Trautwein über sich, die sich auf Lieblingsrollen nicht festlegen mag, sondern „unterschiedliche Sachen am liebsten spielt“. Ihre Begabung in verschiedenen Ästhetiken hat sie nicht nur auf der Bühne, sondern unlängst mit einer Foto-Ausstellung im Mannheimer Atelierhaus bewiesen, wo in Schaufenstern aller Welt „gespiegelte, fast durchsichtige Menschen ebenfalls Geschichten erzählen.“ Dass ihr das besonders liegt, belegt auch ihre Nominierung zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres bei der Kritikerumfrage von „Theater heute“. Beim Petersen-Preis ist es indes erfreulicherweise nicht bei einer Nominierung geblieben. Wir gratulieren.
Ralf-Carl Langhals
Mannheimer Morgen 11. Dezember 2009
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