Rasantes Tempo in der Theaterscheuer
Trommer Sommer – Mannheimer Ensemble zeigt Zweipersonen-Stück „Crash Kids“ – Wirkliche Fälle sind die Vorlage
Ein kleines Ensemble der Theaterakademie Mannheim gastierte am Samstag beim Trommer Sommer. Mit „Crash Kids“ präsentierten die Studenten eine rasante Coming-of-Age-Story, die Festivalleiter Jürgen Flügge nicht ohne Grund in die Region geholt hat.
TROMM.
Ein Reifenstapel türmt sich vor einem Gitter auf. Ein Auspuff liegt quer davor – auf der anderen Seite der Bühne ein Lenkrad und ein Autositz. Dieses Bühnenbild hat der junge Regisseur Patrick Borchardt für seine Inszenierung des Stücks „Crash Kids“ gewählt. Ein unfertiger Guckkasten, der die Zuschauer in der Theaterscheune auf der Tromm begrüßt. Ein Szenario, das schon vorausahnen lässt, was sich in diesen Wänden abspielen wird: Liebe, Übermut, Gewalt, Verantwortung – dazwischen bewegt sich das Stück des englischen Autors Marcus Romer.
Die Geschichte von Colly und Viper beginnt mit Liebe. Mit zwei Jugendlichen, die anbändeln, sich erst schüchtern, dann stürmisch näher kommen, die erste Abenteuer erleben. „Ich wollte so sein wie Sebastian Vettel, mit ’nem Mädel im Arm“, ruft Colly zu Beginn der einstündigen Aufführung. Und das meint er wörtlich, denn Colly ist ein „Crash Kid“. Vor allem in den 1990ern machten Jugendliche, die Autos knackten und damit Rennen fuhren, Schlagzeilen. Echte Fälle – etwa von einem jungen Mann, der mit einem gestohlenen Lastwagen einen Polizisten überrollte – bilden die Vorlage für die Geschichte. Doch die ist jenseits der Fahrbahn vor allem eine Coming-of-Age-Story, bei der es um Verantwortung geht. Darum, den richtigen Weg zu erkennen. Und darum, die Reißleine zu ziehen.
Darstellern wird viel abverlangt
Rasant ist daher auch das Tempo des Zweipersonen-Stücks. Borchardt verlangt seinen Darstellern Hanna Gandor und Julian Lehr dabei einiges ab, nicht nur körperlich. Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt lässt Hanna Gandor (Jahrgang 1993) die Zuschauer die gesamte Bandbreite ihres Gefühlschaos hautnah erleben. Julian Lehr (geboren im Jahr 1990), der durchtrainierte Schauspielstudent, scheint die Idealbesetzung für Colly zu sein. Denn spricht seine Rolle vom Autoknacken, von schnellen Marken und steigendem Tacho, nimmt man ihm den Fahrzeug-Junkie auf der Suche nach dem Kick ohne Frage ab. Lehr und Gandor brillieren auf sehr persönliche Weise in den Rollen, wie es wohl nur Schauspieler können, die sich an ihr eigenes Erwachsenwerden noch gut erinnern.
Dass die Studenten sich ausgerechnet für das Stück „Crash Kids“ entschieden haben, mag man für Zufall oder Schicksal halten: Jürgen Flügge, der nicht nur Leiter des Hoftheaters auf der Tromm ist, sondern auch als Dozent an der Theaterakademie Mannheim lehrt, war 1998 Regisseur der deutschen Erstaufführung im Theater Kiel.
Er hatte das Stück (Original: „Taken without consent“) auch ins Deutsche übersetzt. Dass Flügge die Studenten Gandor, Lehr und Borchardt für den 19. Trommer Sommer engagierte, habe neben der Inszenierung auch inhaltliche Gründe. „Das Stück muss man im Odenwald sehen. Junge Leute fahren hier oft haarsträubend, die vielen Kreuze am Straßenrand zeigen es“, sagte Flügge.
Weitere Aufführungen
In anderer Besetzung wird Borchardts Inszenierung der „Crash Kids“ im Herbst in Mannheim gezeigt: am 27. und 28. September, 10., 15., 19. und 26. Oktober, jeweils um 20 Uhr im Akademietheater (Holzbauerstraße 6-8). Tickets kosten zwölf Euro (ermäßigt sechs Euro) und sind unter www.theaterakademie-mannheim.de/termine/spielplan erhältlich.
Quelle: Darmstädter Echo